(c) Hermann, 1999



Der Sturm hatte sich nicht gelegt und die Sonne schien nur trüb aus den tiefhängenden Wolken. In der eiskalten Tundra stand verlassen ein beigefarbendes Zelt, an dem der Wind und die Kälte erbarmungslos zehrten.

„Es tat verdammt weh die eiskalten Finger zu bewegen“, dachte Erdin und untersuchte seine spröden und von der Kälte angeschwollenen Finger. Er und seine Kameraden, die noch immer still neben ihm lagen, ob tot oder noch lebend, waren das einzige, was von der Illsiger Expidition übrig geblieben war. Zwanzig gestriegelte und stolze Pferde mit wärmenden Decken, die mit den Stadtwappen bestickt waren, und darauf zwanzig junge Kerle, die nur darauf warteten ihr Können unter beweis zu stellen, und, das dachten sie, keine Angst vor dem Tod, sondern vor einem schlechten Abschneiden der Expidition hatten. Vor drei Wochen waren sie von Tremburg aufgebrochen, um die Länder im Norden zu erforschen. Das es kalt werden würde wußten sie, doch so kalt?

Erdin war wieder im Halbschlaf versunken, als Henrik erwachte. „Wach auf!“ sagte er mit schwacher, aber immer noch verständlicher Stimme. Erdin hatte ihn für den stärksten und robustesten Mann der Gruppe gehalten, doch hatte Henrik die ersten Erfrierungen vor allen anderen gehabt, aber er hatte bis jetzt durchgehalten. „Wie...Wie geht’s den anderen?“ fragte Henrik. Erdin antwortete ihm, dass er es nicht wüßte, aber dass sie bald weiter müßten. Denn trotz ihren Erfrierungen und ihren Gebrechen, wollte er nicht so schnell aufgeben. Er würde lieber als Held erfrieren, als als Krüppel wieder die Besiedlung zu erreichen und dem Volk zu zeigen, das er gescheitert war. Doch was die anderen sagten interessierte ihn nicht. Sie waren Soldaten und hatten zu gehorchen. Sie hatten gewußt worauf sie sich einließen.

Erdin verließ das Zelt, rückte seine schweren Umhänge und die kaiserliche Uniform darunter zurecht, und starrte in den wolkenverhangenen Himmel. Er murrmelte etwas von Besserung, doch glauben wollte er selbst nicht daran. „Aufstehen!“ brüllte er in das Zelt. Die Soldaten starrten ihren Oberst verstört an, „Wollte er tatsächlich noch weiter? Warum ließ er sie nicht hier in Ruhe sterben?“ Aber sie hatte gelernt zu kämpfen und zu gehorchen, also würden sie das tun was der ranghöhere Offizier von ihnen verlangte. Solange bis die Beine versagen würden. Dann würden sie in den kalten Schnee kippen. vielleicht noch ein, zweimal versuchen wieder hoch zu kommen, und feststellen, das sie am einschlafen waren. Die anderen würden weitertrotten und sie als einen guten Kameraden solange in Erinnerung behalten, bis sie das gleiche Schicksal ereilen würde.

Mittlerweile waren alle aus dem Zelt gekommen. Außer Hudson. Er war in der Nacht erfroren. Die Kameraden sprachen ein kleines Gebet und trotteten nordwärts.

4 Tage später

Der Sturm heulte um das kleine Zelt und es war unbeschreiblich kalt. Erdin betrachtete wieder seine Finger und er hatte Angst er könne nicht mehr in das Tagebuch schreiben. Da er sich nicht sicher war, verfasste er mit seinen, schwarz´vor Kälte, Fingern einen Abschiedsbrief. Die Schrift war kritzlig, aber man konnte sie noch lesen.

„Sehr geehrte Herren, mein Kaiser, ich hoffe ich schreibe nicht zum letzten Mal, doch fürchte ich meine schwarzen Finger sind in der näheren Zeit nicht mehr in der Lage zu schreiben. Unser Trupp hatte einen tollen Start, doch kamen die Wolken und die Kälte zu schnell für meine Männer. Ich hätte nie gedacht, das es so kalt sein könnte. Die Finder unserer Zeilen müßen wahre Kerle sein, wenn sie bis hierher durchhalten und euch diesen Brief zurückbringen können, mein Gebieter. Ich entschuldige mich für den Aufwand dieser Expidition, für die gefallenen Soldaten, sie waren mir loyale Männer, und für die Gelder, die mir die kaiserliche Schatzkammer gab. Doch fürchte ich, das wir einfach nicht im Stande sind weiter zu gehen. Wir sind nur noch zu dritt. Henrik wollte gestern einen Seehund jagen gehen. Wir fanden ihn im kalten Wasser der Hendriksbucht, wie wir diese Meeresbucht ihm zu Ehren nannten. Er hat das einzig richtige getan. Andro und Zafan sind die einzigsten die mir geblieben sind. Andro mußten wir die Hände abschlagen, denn sie waren schon vereitert und enzündet. Nun muß ich aufhören zu schreiben, meine Hände schmerzen, obwohl ich kein Gefühl mehr in ihnen habe.
In Trauer und um Verzeihung betend Oberst Erdin von Jangungen“

Er schrieb noch einen Brief an seine junge Frau mit seinem kleinen Sohn, der jetzt wohl ohne seinen Vater groß werden müßte. Seine Frau wollte ihn davon abhalten, das er in den Norden ging, doch er erzählte ihr von dem vielen Geld und von dem Ruhm. Bis sie ihn schließlich gehen ließ. An die Eltern seiner Kameraden Henrik, Andro und Zafan, denen er erzählte welche Strapazen sie durchmachten und das sie mit gutem Grund auf ihre Söhne stolz sein könnten. An Andro´s Freundin, die Andro immer nach dem Dienst vor der Kaserne abgeholt hatte und die beiden waren wie zwei Verliebte bei der untergehenden Sonne die Stassen seiner geliebten Heimatstadt entlanggeschlendert, schrieb er eine Entschuldigung und, das er noch nie einen so tapferen Soldaten gesehen hätte, wie Andro einer wahr. Auch die abgehackten Hande erwähnte er, damit sie sich vorstellen konnte welche Loyalität Andro zum Vorschein brachte, wenn es hart auf hart kam. Dann legte er sich neben seine beiden Kameraden, die wahrscheinlich schon auf ihren Tod warteten, und war dankbar für alles.

Dann schlief er ein. Und draußen vor dem Zelt heulte der Sturm und treibte abermillionen von Schneeflocken in die traurige Eissteppe hinaus.

(c) Hermann, 1999


Hintergrund

Mit einem Eintrag in das Grosse Buch des FantasyForest fing es an. Eine Bemerkung Hermann's, dass Fantasy und ScienceFiction schon lange zu seinen Leidenschaften gehören, führte natürlich sofort zu einem Mail an ihn. Das Resultat war eine sehr nette Antwort und obige Geschichte. Exklusiv für den FantasyForest hat Hermann 'Erdin's Weg' verfasst und ist damit als würdiges Mitglied der Gilde der Erzähler beigetreten. Bleibt nur zu hoffen, dass bald noch mehr von Hermann hier zu lesen sein wird ... ;-)