Teil III - Wolfsheim
Leseprobe und Download

(c) Saxmut Schwarz , 2000



Das hohe Rad, geweiht dem Tod,
lenkt das Geschick der Welt,
und jeder der es ganz besitzt,
die Macht in Händen hält!

Geschaffen in neun Vollmondnächten,
in heißem Drachendunst,
verbirgt es in sich eine Kraft,
von dunkler Zauberkunst!


Gefangen ist die Allnatur,
so wie sie einst entsprossen,
gebunden auf das finstre Rad,
für alle Zeit verschlossen!

Erlangt das Rad die dunkle Macht,
so wird sie grausam walten,
mit Falschheit, Krieg und Niedertracht
die neue Welt gestalten!

*

Der Abend rückte näher, die Vorkehrungen für das Fest waren in vollem Gange. Die Knechte zerlegten die Tiere, die Mägde rupften das Geflügel, Fässer voller Starkbier und Met wurden in den mächtigen Festraum gebracht und die Hofherrin überwachte das gesamte Treiben mit ernster Miene. Der Festbau, aus dicken Holzbalken gefügt, wurde von den Jungen und Mädchen mit immergrünem Nadelgeäst und Trockenblumen aus dem letzten Sommer geschmückt. Eine breite Treppe führte zu dem geöffneten Tor der Festhalle, im Innern trugen zwei Reihen hoher Holzsäulen den Dachstuhl und von den Säulen bis zu den Wänden verlief eine erhöhte Bühne, die sich links und rechts an die Wand anlehnte. In der Mitte, genau gegenüber dem Eingangstor, stand darauf der Herrensitz und daneben die Sitze der vornehmsten Gäste. Links neben dem Eingang befand sich die Laube der Frauen, die nicht an den Tafeln der Männer weilen durften und somit nebenan untergebracht wurden, auf das sie sich untereinander vergnügten und von wo sie eine gute Sicht auf das Geschehen im Saal hatten.

Der Abend war gekommen, die Späher berichteten, das der Zug der Gäste nicht mehr weit von den Toren entfernt war. Beret stand vor dem geöffneten Palisadentor und empfing dort die Edlen und die freien Bauern samt ihrer Begleitung, welche auf allen möglichen Wegen zu Fuß oder zu Ross herangezogen waren. Wer zu Ross nahte, stieg vor dem Tore ab und überließ das Pferd einem der Knechte, die es in den entfernt liegenden Stall geleiteten und dort festbanden, um es anschließend mit Stroh abzureiben und es zu füttern. Hagen stand nahe am Tor und beobachtete die eintreffenden Gäste. Viele von ihnen waren in schwere Felle gewickelt, wieder andere trugen Umhänge von enormer Größe, die noch lang an den Pferden herabhingen und nach dem Absteigen auf dem Boden schliffen. Langsam sammelten sich immer mehr Menschen im Hof, große und kleine, dicke und dünne und fast alle waren sie zu Ehren einer Frau gekommen, der Tochter des Hofherren: Sigrun !

Würdig war der Gruß und die Anrede der Gäste, die im weiten Halbkreis auf dem Hofe standen, eine stolze und ansehnliche Gemeinschaft ausgelassener Männer aus vielen Dörfern und Höfen der umliegenden Gegend, alle in ihre besten Gewänder gekleidet, mit Kriegsschmuck und Trophäen behangen. Viele von ihnen trugen, wie Hagen, Schwert und Dolch an der Seite und manch Edlen bedeckte über einem Wams aus Leder ein Kettenpanzer. Einige wenige trugen aber auch einen Überwurf aus feinsten Stoffen in allerlei Farben, die in dieser Gegend äußerst selten waren und wohl aus dem Osten stammen mochten.

Die Schar war schön anzusehen und leises Gemurmel ging bei jedem Neuankömmling, der von Beret am Tor begrüßt wurde durch die Reihen. Fast alle Gäste waren eingetroffen. Schweigend standen sie beisammen und freuten sich der Versammlung Nur einige, die zueinander traten, tauschten leise Worte über die Gerüchte, welche durch die Lande flogen, und über die Tochter Berets aus. Die Begrüßung währte lange, denn immer noch kamen Einzelne, die sich verspätet hatten. Doch als die Anrede beendet war, führte der Hofherr seine Gäste in die Halle. Am Eingang empfing sie Siglinde und daneben stand verlegen ihre Tochter mit dem restlichen Weibsvolk des Hofes. Ehrerbietig huldigten die Männer den Frauen. Siglinde und Sigrun reichten allen Gästen die Hand zum Zeichen des freundlichen Willkommenseins.

Die mitgereisten Oberhäupter der Gemeinschaft nahmen auf den Sitzen der Bühne Platz und begannen sogleich mit ernstem Männergespräch, während die anderen, einschließlich ihren Söhnen, vor ihnen auf den Bänken Platz nahmen. Daraufhin zog in langer Reihe eine Schar von Knechten ein, die in Tonkrügen den süßen Met herbeitrugen und eine behagliche Vorspeise, aus Gebildebrot, Schinken und Käse servierten. In aller Ruhe wurde das Mahl verzehrt und während die Alten aßen und schwatzten, begannen sich die Jungen unter ihnen auf der freien Fläche inmitten des Saales zu sportlichen Wettkämpfen zu rüsten. Die Knaben des Hofes begannen zuerst mit dem Spiel. Sie rannten um die Wette, sprangen über ein Pferd und warfen den Speer auf ein Ziel. Nachher ergriff der Eifer die Jünglinge, die sich im Steinstoßen maßen. Als Helwig, ein sehniger Bursche mit rotem Schopf, den weitesten Wurf tat, klafterweit über die anderen hinaus, erschall lautes Jauchzen von allen Zuschauern. Nunmehr behielt es die Alten nicht länger auf ihren Sitzen und auch sie eilten zur Schau in die Mitte der Halle, wo sich ein Menschenkreis rings um das Geschehen sammelte. Der Ring der Zuschauer wurde groß und größer, die Dorfweiber standen in ihrem Festschmuck, gesondert die Männer, und aus den Kehlen der Zuschauer klang immer lauter der Zuruf und das Lob für die Sieger.

 

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(c) Saxmut Schwarz , 2000